Ein City-Center gehört ins Zentrum, nicht knapp daneben

Integration beginnt schon während der Projektentwicklung, schreiben Matthias Böning und Christof Glatzel von Böning & Glatzel im zweiten Teil der Serie „Das städtische Einkaufszentrum“. Anhand verschiedener Kategorien erklären die beiden ehemaligen mfi-Vorstände, warum das eine Einkaufszentrum Erfolg hat und das andere nicht.

Warum landen Neueröffnungen wie das Skyline Plaza in Frankfurt oder die Höfe am Brühl in Leipzig beim Shoppingcenter Performance Report (SCPR) am Ende des Rankings? Warum ist das Alexa unter den Top 20 in Deutschland und das Loop5, ein Center des gleichen Entwicklers, unter den letzten 20? Warum starten die Pasing Arcaden in München durch, während sich das Mira am scheinbar gleichen Top-Immobilien-Standort München hartnäckig am unteren Tabellenrand festsetzt? Wir wollen versuchen, diese Fragen zu beantworten, indem wir die wesentlichen Faktoren beschreiben, die über Erfolg oder Misserfolg eines Centers entscheiden.

Wettbewerb und Timing: Zusammen sind dies entscheidende Erfolgsfaktoren, wie man bei den Megamalls und Hybridmalls auf der grünen Wiese feststellen kann. Viele der meist eingeschossigen alten Schlachtrösser wie das Main-Taunus-Zentrum, das Centro Oberhausen, der Ruhrpark in Bochum oder die Citti-Parks in Schleswig-Holstein haben kostenlose Parkplätze und teilweise einen eigenen Bahnanschluss. Sie sind seit Jahren bei den Konsumenten als Vollsortimenter und Ersatzinnenstadt eingeführt, dominieren den Handel in ihrer jeweiligen Region und passen sich ständig dem Wettbewerb an. Das Loop5, die auf lange Zeit wohl letzte Grüne-Wiese-Megamall hätte, zwanzig bis dreißig Jahre eher entwickelt, bessere Chancen gehabt. Sicher wäre es kein Problem gewesen, einen bedeutendes SB-Warenhaus als Lebensmittelanker zu bekommen. Das Center hätte sich auch nicht, wie es jetzt der Fall ist, in zweiter Reihe hinter anderen Fachmärkten eine schlechte Zu- und Abfahrt teilen müssen. 2010 sah aber die Wettbewerbssituation im Handel schon ganz anders aus. Auch die seinerzeit für Deutschland innovative Innenarchitektur kann diesen Startnachteil nicht wettmachen.
Das Skyline Plaza, das in der Ursprungsplanung ein Urban Entertainment Center werden sollte, hatte bei seiner Eröffnung über 15 Jahre politisches Gerangel hinter sich und war mit einer Verkaufsfläche von 38.000 qm (d.h. etwa 50.000 qm Mietfläche) deutlich kleiner als ursprünglich konzipiert (60.000 qm). Wäre es zehn Jahre früher mit kostenlosen Parkplätzen und einem großen Verbrauchermarkt eröffnet worden, wäre es einem Main-Taunus-Zentrum näher gekommen und könnte heute einfacher im Wettbewerb gegen die im Grunde zu nahe Frankfurter Innenstadt ankämpfen.
Auch die 2012 eröffneten Höfe am Brühl hatten ein Timing-Problem. Das ebenfalls von mfi betriebene, aber in der Hand von Ivanhoe Cambridge befindliche Paunsdorf-Center mit über 100.000 qm Fläche sollte ursprünglich schon 2009 neu positioniert werden. Die Finanzkrise machte dem Eigentümer aber einen Strich durch die Rechnung. Ivanhoe verschob den Start immer wieder, und so ging das neue Paunsdorf-Center gleichzeitig mit den 45.000 qm Mietflächen der Höfe am Brühl an den Start. Nicht leicht zu verdauen, wenn nebenan die ECE-betriebenen Promenaden im Hauptbahnhof mit ihrer Wettbewerbsklausel die Mieter binden. Fazit: Es kommt auch darauf an, im Wettbewerb voraus zu sein.

Marketing, Service und Erlebnis: Das sind die Erfolgsfaktoren, gerade wenn Wettbewerb und Timing die Markteinführung in gesättigten Märkten schwierig machen. Die Einführungsphasen großer Shoppingcenter dauern zwar immer länger, aber mit ihren Marketingbudgets haben Center einen wichtigen Wettbewerbsvorteil, der kombiniert mit Service und Erlebnis die nötigen Frequenzen und Umsätze sichert. Exakte Analysen des tatsächlichen Einzugsgebiets und das Wissen, warum Konsumenten nicht in ein Center kommen und wie man das ändert, sind wichtiger als viele Alibi-Veranstaltungen.
Dass Service und gezielte Kundenansprache erfolgreich sein können, beweisen die 2002 eröffneten Regensburg-Arcaden. Diese haben sich trotz des dominanten Donau-Einkaufszentrums, einer zunächst fehlenden Anbindung an den Bahnhof und einer von der Innenstadt abgewandten Lage zu einem stabilen Center mit Erweiterungspotenzial entwickelt. Auch die Mall of Berlin setzt beim Thema Service an, um den Timing- und Standortnachteil im harten Berliner Wettbewerb auszugleichen. Fazit: Ein schwieriger Start ist noch nicht das Ende aller Träume.

Lage und Erreichbarkeit: Hierbei geht es nicht nur, aber auch um Sichtbarkeit und Erkennbarkeit. Ein Einkaufszentrum, das sich hinter Museumsarchitektur versteckt, verliert wichtige 10% bis 15% Kundenfrequenz, Umsatz und letztlich Miete. Ein Stadtteilzentrum, ein Citycenter, ein Nahversorgungszentrum gehören ins Zentrum und nicht knapp daneben. Alle benötigen eine gut auffindbare und gut erreichbare Parkplatzanbindung und eine für die Region exzellente Anbindung an das öffentliche Nahverkehrssystem. Auch eine wegen U-Bahn-Bauarbeiten um 50 Meter verschobene Haltestelle kostet 10% bis 15% Umsatz und Mieterzufriedenheit, wie wir leidvoll festgestellt haben. Fazit: Lagefehler sind irreversibel.

Integration: Oft politisch beschworen und doch häufig nicht erreicht. Integration beginnt schon während der Projektentwicklung. Sie sorgt dafür, dass ein Center Zustimmung bei Bürgern, Architekturbeiräten, in der Presse, beim örtlichen Einzelhandel und letztlich in der Politik findet. Eine deutliche Mehrheit ist erforderlich und hierfür kann ein Referendum sehr hilfreich sein. mfi hat das bei den Erlangen Arcaden erlebt: zwei gewonnene Wahlen, ein aktiver Kunstbeirat, einen in die Planung eingebundenen örtlichen Architekten und einen engagierten Bürgermeister. In Erlangen passte aber auch die Anbindung mit zwei Eingängen an die Innenstadt sowie die Aufnahme örtlicher Mieter in das Center. Selbst die Endstation des Busses in der City heißt „Arcaden“. Diese Punkte sind für die Entwicklung von Citycentern und innerstädtischen Shoppingcentern in mittleren Großstädten (über 100.000 Einwohner) wichtig.
Integration kann aber auch verloren gehen. Nehmen wir als Beispiel die legendäre Kö-Galerie in Düsseldorf. Eine Ikone der 1990er Jahre in Deutschland, positioniert wie die Königsallee selbst – hochwertig und dem Düsseldorfer Zeitgeist entsprechend auch kulinarisch anspruchsvoll. Von diesem High-Street-Gefühl ist wenig geblieben. Das Parkhaus fällt hinter dem des neuen Kö-Bogens ab, die Luxusläden sind zu klein und über mehrere Etagen mit inneren Treppen angeordnet. Statt Gastronomieerlebnis findet man dm und Rewe im Basement. Unklar wird die Integration mit der Kö, im Gegensatz übrigens zu den konsumiger positionierten Schadow-Arkaden, die durch eine exzellente Durchwegung und eine gute und zentrale Anbindung bestechen. Fazit: Knapp daneben ist deutlich weniger erfolgreich.

Positionierung, Mieten und Größe: Als ich (Matthias Böning, d. Red.) 2002 von einem Bauunternehmen zum Centerentwickler mfi wechselte und den Vermietungsvorstand fragte, warum er sich sicher sei, die Riem-Arcaden in München zu 100% zu vermieten (was ihm auch drei Monate vor Eröffnung gelang), erhielt ich die Antwort, dass von 180 expandierenden Filialisten in Deutschland alle interessiert sein müssten, da es sonst kaum Expansionsmöglichkeiten für sie gäbe. Auf die Frage, warum wir denn nur eine Toilettenanlage auf 50.000 qm vorsahen und eine Kundeninformation fehlte, wurde mir gesagt, die Kunden würden in kürzester Zeit die Wegeverbindungen lernen. Hauptsache die Parkhausanbindung und die Lage der Ankermieter passe.
2002 ist nicht lange her. Wettbewerb, Service und Kundenanalyse haben einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Heute führt eine nicht konsequente Positionierung eines Centers meist früher als später zu Leerständen. Zu einem Stadteilcenter oder Nahversorgungszentrum passen nun einmal keine Mono-Brand-Stores wie Gant und Tommy Hilfiger. Dafür muss das Nahversorgungsangebot vollständig umgesetzt sein.
Megamalls müssen Vollsortimenter, international und Erlebnisstandort sein. Bei Hybridcenter gehören alle leistungsfähigen Sortimente in den Centerplan. Zu hohe, nicht den Umsätzen angepasste Mieten führen in diesen Centern langfristig auch zu Pleiten.
Dominante und große Center sind weniger anfällig für Marktveränderungen als kleine Center. Allerdings sind einige Stadteilcenter und innerstädtische Center mittlerer Großstädte inzwischen auch zu groß, da frühere Ankermieter des ersten Obergeschosses wie Buchhandel und Sport diese Rolle nicht mehr übernehmen. Fazit: Marktpositionierung, Mieten und Größe müssen eine konsequente Einheit bilden.

Die veraltete innere Struktur: In unzähligen Centern der 1990er- und 2000er Jahre trifft man in der Mitte des ersten Obergeschosses auf die beliebte Eisdiele. Mit Einführung des Rauchverbots und dem Aufkommen anderer Espresso-Anbieter ist dieses Vermietungskonzept obsolet geworden. Ein Erdgeschoss mit Außengastronomie zur Süd- oder Westseite ist gefragt. Gastronomie verteilt im ganzen Center ist ein alter Hut. Der Foodcourt ist auch in Deutschland angekommen.
Entscheidende Misserfolgsfaktoren sind die Geschossigkeit, zu geringe Shopzahlen auf den einzelnen Ebenen und der Irrglaube der Städteplaner, dass kleine, offene Center – zugig und regnerisch – in Deutschland im umsatzstarken Winterhalbjahr funktionieren. Dies schaffen ausschließlich die Innenstadt ersetzende Megamalls wie der Ruhrpark oder das Main-Taunus-Zentrum.
Dass selbst die Anbindung des Haupteingangs eines Citycenters an eine Top-Geschäftsstraße nicht reicht, um die Kunden ins erste, zweite oder dritte Obergeschoss zu locken, zeigten das Sevens in Düsseldorf und das MyZeil in Frankfurt in ihren jeweils ersten Lebensjahren. Das Sevens hat nach einer Menge finanzieller Abschreibungen und Eigentümerwechsel jetzt das richtige Konzept gefunden. Saturn belegt komplett die Obergeschosse, die zur Kö passende teure Mode ist nur noch im Erdgeschoss zu finden, im Basement erstrahlt passend zu Düsseldorf ein gut einsehbarer Edel-Foodcourt. Fazit: Meist sind Erdgeschoss und Basement core, das erste Obergeschoss aber opportunistisch. Center mit zwei Ebenen sind gegenüber Drei- und Mehrgeschossern klar im Vorteil.

Der falsche Eigentümer und zu wenig Kapital: Anpassungen von alten Centern kosten Geld, auch wenn die Handelsmieter ihren Ladenausbau selbst bei umfangreichen Umbauten überwiegend selber tragen. Eigentümer, die aufgrund einer Fondsstruktur kein zusätzliches Kapital einwerben können, sklavisch an alten Excel-Businessplänen kleben oder zu lange und komplexe Abstimmungsprozesse haben, sind die eigentlichen Verlierer des Wandels. Diese Probleme findet man genauso bei deutschen geschlossenen Fonds wie bei internationalen Pensionsfonds oder Private-Equity-Investoren. Das Ergebnis ist gleich negativ: Am Ende folgt die Abwertung, der Verkauf und ein Dritter macht’s. Bestes Beispiel: der Ruhrpark. Er hat nun den richtigen Eigentümer, der die Chancen konsequent umsetzt. Fazit: Der SCPR sollte Eigentümer bewerten statt Centerbetreiber.

Sortimentsbeschränkung und Internet: Stellen Sie sich vor, ein Gesetz würde den Internethandel am Sonntag verbieten und Zalando die Bestellannahme regional abschalten, wenn im Einzugsbereich einer Innenstadt der Anteil des Schuhumsatzes im Internet über 10% gestiegen ist (üblicherweise die magische Umverteilungsgrenze, die die Genehmigung von Einkaufszentren erschwert). Unsinnig und unrealistisch? Realität in den Bebauungsplänen unserer Städte. Zehn Jahre dauert es, bis ein B-Plan, der Größe und Sortiment eines Centers festlegt, aufgestellt ist. Zehn Jahre wird abgewartet, um dann in frühestens weiteren fünf Jahren lächerliche Anpassungen vorzunehmen. Vergleichen Sie das einmal mit der Geschwindigkeit im Internet! Die Einzelhändler haben sich längst entschieden: Ihre stärksten Läden entstehen im Netz und Anti-Shoppingcenter-Bücher wie „Angriff auf die City“ (Angriff auf die City, hrsg. von Walter Brune, Rolf Junker, Holger Pump-Uhlmann, Düsseldorf 2006) gehören ins Antiquariat. Der stärkste Befürworter des einkaufsfreien Sonntags ist der Onlinehandel. Diesem Wettbewerbsnachteil des gesamten stationären Handels muss schnellstens Paroli geboten werden. Fazit: Planungsdezernenten, Bürgermeister und Politiker, denkt um!

Die Autoren: Matthias Böning und Dr. Christof Glatzel waren Vorstände beim Centerentwickler mfi bzw. mfi/Unibail-Rodamco. 2014 gründeten sie Böning & Glatzel. Die Firma berät Unternehmen mit Einzelhandelsportfolios und entwickelt Handelsimmobilien.

Erschienen am 6.8.2015 in der Immobilienzeitung

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